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Konkordatsverstoß: Vollständige Verlagerung der Kölner Priesterausbildung nach Köln:Bonner Kirchenrechtler bestätigt Bonns Stadtdechant

Serie offener Fragen zur "Woelki-Hochschule"
Der Bonner Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken
Datum:
11. Juli 2022
Von:
Stefan Schultz

Bonns Staatskirchenrechtler, Prof. Dr. Christian Hillgruber, bestätigt, dass eine vollständige Verlagerung der Priesterausbildung des Erzbistums Köln an die Katholische Hochschule in Köln gegen das Konkordat verstoßen würde. Bonns Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken und der Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Bonn, Prof. Dr. Joachim Sautermeister, hatten sich jüngst mit dieser Sorge zu Wort gemeldet. Grund ist, dass die Studierenden des einen Bonner Priesterseminars des Erzbistums Köln bereits seit einem Semester vollständig an der Katholischen Hochschule in Köln studieren und der Kölner Erzbischof, Rainer Kardinal Woelki, zusätzlich die vollständige Verlegung der zweiten Bonner Ausbildungsstätte nach Köln plant. Der Priesterrat des Kölner Erzbistums hatte bereits in seiner Junisitzung mehrheitlich gegen die Pläne von Kardinal Woelki und die geplante Verlagerung der Priesterausbildungsstätte nach Köln votiert. Der Erzbischof ist allerdings an dieses Votum nicht gebunden.

Prof. Hillgruber äußerte nun gegenüber „katholisch.de“, dass in der staatskirchenrechtlichen Literatur vertreten werde, dass der Kirche die vertragliche Obliegenheit zukommt, nicht durch den Aufbau eines konkurrierenden Hochschulwesens den Bildungsauftrag der Staatsfakultäten in Frage zu stellen. Entsprechend kommt der Rechtswissenschaftler zu dem klaren Resultat: "Man wird also annehmen müssen, dass jedenfalls eine völlige Verlagerung der Ausbildungsaufgaben von der Bonner Fakultät hin zur neuen kirchlichen Hochschule konkordatswidrig wäre". Prof. Hillgruber empfiehlt deshalb wie kürzlich schon Stadtdechant Picken im Bedarfsfall die Fragen zur Auslegung des Konkordats von den Vertragsparteien, also dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Heiligen Stuhl, auf "freundschaftliche Weise" klären zu lassen, wie das Preußenkonkordat eigens in einer "Freundschaftsklausel" festlegte.

Bonns Stadtdechant gibt allerdings zu bedenken, ob es klug sei, zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Diskussion über das Konkordat und finanzielle Verpflichtungen des Staates zugunsten der Kirche aufzubringen. „Die gesellschaftlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen, sowie die politischen Machtverhältnisse sind nicht günstig für solche Grundsatzdebatten über das Verhältnis von Staat und Kirche“. Man könne als Kirche leicht als Verlierer aus solchen Debatten hervorgehen und noch Bestehendes, wie die staatlich finanzierten theologischen Fakultäten, gefährden, warnt der promovierte Politologe.

Woelki-Hochschule schafft unnötige „Luxusprobleme“

Bestätigt sieht sich Bonns Stadtdechanten auch durch eine Stellungnahme des Leiters des Kölner Priesterseminars, Regens Regamy Thillainathan. Er hatte in einem Interview mit „katholisch.de“ die Wahlmöglichkeit zwischen zwei Hochschulen für die Priesteramtskandidaten seines Erzbistums als "Luxusproblem" bezeichnet. In der Tat schaffe sich das Erzbistum ein unnötiges Luxusproblem, wenn durch die zusätzliche Hochschule zukünftig für weniger Studierende annähernd die doppelten Kosten verursacht würden, findet Dr. Picken. „Gleich, aus welchem Etat die kirchliche Hochschule finanziert wird, aus Sonderfonds oder Kirchensteuern: Die jährlichen Millionenbeträge könnten vermutlich für pastorale und soziale Aufgaben sinnvoller genutzt werden.“ Man müsse deshalb befürchten, dass die Finanzierung der sogenannten Woelki-Hochschule die öffentliche Debatte über die Kirchensteuer und die Ausgabenpolitik der Kirche erneut befeuern werde. „Es fehlt eine öffentlich vermittelbare Begründung für die kirchliche Hochschule in Köln und die vielen Ressourcen, die sie verbrauchen wird. Wir müssen mit der Frage rechnen, ob wir uns als Kölner Kirche diesen Luxus wirklich leisten können.“

Serie offener Fragen 
Wie stabil ist Woelki Hochschule?

Zweifel äußert Bonns Stadtdechant auch an der Stabilität der sogenannten „Woelki-Hochschule“. Es fehle gegenwärtig an einer seriösen Haushaltsplanung und vor allem an der Beantwortung der Frage, wie die Hochschule langfristig finanziert werden solle. Ursprünglich sei vor vier Jahren der Finanzbedarf auf

1.3 Millionen jährlich berechnet worden. Inzwischen koste die Hochschule pro Jahr knapp 3 Millionen. Für den Vollbetrieb in den kommenden Jahren würden Kosten von bis zu 8 Millionen prognostiziert. Kardinal Woelki hatte zu Beginn des Projekts zugesichert, die Hochschule werde aus einem Fond und Drittmitteln

finanziert. Sie werde keine Kirchensteuermittel beanspruchen. „Aufgrund steigender Kosten geht die geplante Finanzierung nicht auf. Also fragt sich, wer einspringt, wenn das Geld ausgeht“, so Dr. Picken. Manche im Erzbistum vermuteten, es gäbe bereits eine vertragliche Verpflichtung des Erzbistums, bei finanziellen Engpässen aushelfen zu müssen. „Wenn dem so wäre, dürfte das zu heftigen Reaktionen in den Gremien des Erzbistums führen. Man wäre dann nicht nur falsch informiert worden, sondern stünde damit vor vollendeten Tatsachen“, prognostiziert der Stadtdechant. Wenn eine millionenschwere Subvention der katholischen Hochschule nötig werde, werde das Polarisieren und Proteste auslösen. 

In engen Zusammenhang mit den Finanzierungsproblemen stehe vermutlich auch die Feststellung, dass die Mehrzahl der Lehrstühle noch unbesetzt seien und durch Lehrstuhlvertretungen wahrgenommen würden. Gegenwärtig sind nur vier von vorgesehenen 10 bis 12 Professoren für die Hochschule tätig. „Solange eine nachhaltige Finanzierung nicht gesichert ist, wird man kaum Berufungen aussprechen können. Aber ohne sie ist die Hochschule in keinem Fall konkurrenzfähig“, meint Dr. Picken. Gleiches gelte für die Bibliothek: „Der Aufbau einer eigenen Bibliothek wird Millionen kosten, die man gegenwärtig nicht haben dürfte. Aber eine Hochschule ohne Bibliothek ist undenkbar!“ Schließlich scheine auch ungeklärt zu sein, ob die Kölner Hochschule eine dauerhafte Akkreditierung des Masterstudiengangs erhalten werde. „Wenn alle diese Fragen nicht schnell geklärt werden, wird die Hochschule niemals eine Alternative zur Bonner Fakultät werden können. Stattdessen wäre ihre Zukunft ungewiss und könnte zum finanziellen Desaster werden“, resümiert Dr. Picken. Er hofft auf eine schnelle Beantwortung der vielen offenen Fragen, damit schnell eine Entscheidung getroffen oder die Notbremse gezogen werden kann.