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Superintendenten und Stadtdechant protestieren gegen Ratsentscheidung : „Signal einer verfehlten Familienpolitik und schlechter politischer Stil“

Vertreter der beiden großen Kirchen üben scharfe Kritik an der Entscheidung, Bonns Familienbildungsstätten nicht weiter durch kommunale Mittel zu fördern. Brief an Oberbürgermeisterin und Fraktionsvorsitzende der Regierungskoalition. Interview mit Domradio
Datum:
9. Juli 2021
Von:
Redaktion

„Wir empfinden es als ein Zeichen verfehlter Familienpolitik“, mit diesen ungewohnt deutlichen Worten protestieren die offiziellen Vertreter der beiden großen christlichen Kirchen gegen die jüngste Ratsentscheidung, Bonns Familienbildungsstätten nicht weiter durch kommunale Mittel zu fördern. In einem an Bonns Oberbürgermeisterin und die Fraktionsvorsitzenden der Regierungskoalition gerichteten Schreiben fordern der Superintendent des Kirchenkreises Bad Godesberg/Voreifel, Mathias Mölleken, der Superintendent des Kirchenkreises Bonn, Dietmar Pistorius, die Superintendentin des Kirchenkreises An Sieg und Rhein, Almut van Niekerk, und Bonns Stadtdechant, Dr. Wolfgang Picken, „dass die Bezuschussung der Familienbildungsstätten durch die Stadt Bonn sichergestellt wird und so Familien die Förderung und Unterstützung erfahren, die sie gewohnt sind und verdienen“.

Die Kirchenrepräsentanten äußern ihr Unverständnis darüber, dass man durch diese Entscheidung ausgerechnet die Familien schwächt, die von der Coronapandemie besonders betroffen sind. Man sei sich noch vor Wochen in Gesprächen mit allen Fraktionen des Rates darin einig gewesen, dass Familien dringend zusätzliche Unterstützung und Beachtung benötigen. Die jetzige Ratsentscheidung stelle die Glaubwürdigkeit der Regierungsfraktionen infrage und werde „bei Eltern, Kindern und Jugendlichen erheblichen Widerspruch erzeugen und die Frage aufwerfen, ob die Interessen von Familien hinreichende Berücksichtigung durch die Regierungskoalition finden“, heißt es in dem Schreiben weiter. Eine angemessene und weitsichtige Familienpolitik hätte vielmehr einen Ausbau der Förderung von Familien und der Arbeit der Familienbildungsstätten gefordert.

Deutliche Kritik am Stil der Entscheidungsfindung der Bonner Regierungskoalition

Irritiert ist man auf Seiten der Kirchen auch darüber, dass die Förderung der Familienbildungsstätten vom Rat zugunsten eines Ausbaus der offenen Sozialarbeit eingestellt worden ist. „Es darf unter keinen Umständen der Eindruck entstehen, dass aufsuchende Sozialarbeit und Familienbildungsarbeit in Konkurrenz zueinanderstehen oder eines dieser Anliegen eine höhere Bedeutung für das Sozialwesen besitzen würde“, merken die Kirchenrepräsentanten an, die mit Diakonie und Caritas auch die wichtigsten Sozialträger in der Stadt Bonn vertreten.

Deutliche Kritik äußern die vier Geistlichen auch am Stil der politischen Entscheidungsfindung in der Regierungskoalition. Eine kommunale Förderung der Familienbildungsstätten sei in allen vorherigen Ausschüssen unter Beteiligung der Regierungskoalition konsensual befürwortet worden. Im Zuge eines spontan eingebrachten Antrags aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sei zu später Stunde die kommunale Finanzierung der Familienbildungsstätten gekippt worden. „Wir sind extrem darüber befremdet, dass die Ablehnung wirtschaftlich relevanter Zuschüsse und die Beendigung einer langjährigen Kooperation ohne weitere Ankündigung und Beratung durch den Jugendhilfeausschuss und Austausch mit den Trägern umgesetzt wurde.“ Das zeige eine fehlende Wertschätzung der Arbeit der Familienbildungsstätten, deren Zukunft jetzt gefährdet sei. Auch stelle es infrage, mit welcher Verlässlichkeit die Kirchen zukünftig in der Zusammenarbeit mit der Kommune rechnen dürfen. „So respektlos und unzuverlässig geht man nicht mit Partnern um. Auch lässt sich dieses Vorgehen nur schwer mit den Prinzipien der Partizipation und politischen Beratung vereinen. Es muss enttäuschen, wenn ausgerechnet eine Koalition, die mit dem Ziel eines neuen Politikstils angetreten ist, solche grundlegenden Entscheidungen in wenigen Minuten trifft“, merken die Theologen an.

Angebote der Familienbildungsstätten erfreuen sich großer Beliebtheit

Drei Familienbildungsstätten in der Stadt Bonn, das evangelische Haus der Familie, die Werkstatt Friedenserziehung und die katholische Familienbildungsstätte sind betroffen und werden von freien Trägern getragen. Die Familienbildungsstätten würden als Orte erlebt, in denen Familien Unterstützung erfahren und ihnen Vernetzung ermöglicht wird. Die Angebote erfreuten sich eines großen Zuspruchs und stabilisieren die familiären Systeme, betonen die drei Theologen.