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Trauer um Msgr. Wolfgang Bretschneider:Die Ansprache zur Totenvesper

Den Text der Ansprache von Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken finden Sie hier zum Nachlesen, Nachhören und Downloaden
Datum:
16. März 2021
Von:
Ayla Jacob

Lieber Wolfgang,

eigentlich hätte ich, so hatten wir es vereinbart, im Sommer zu Deinem 80. Geburtstag einladen und dann dabei das Wort an dich und deine Gäste richten sollen. Es ist nun so gänzlich anders gekommen. Ja, auch jetzt war es zwar an mir, für Dich einzuladen, aber nun zu deinem unerwarteten Abschied aus unserer Mitte. Wie sehr hätte ich mir das anders gewünscht und ehrlich gesagt, es schmerzt mich in diesen Tagen sehr, diesem Moment innerlich näher rücken zu müssen.

Die Münstergemeinde in Bonn und unsere Stadt verlieren mit Dir eine herausragende Priesterpersönlichkeit und einen warmherzigen Seelsorger. Du wirst in Liturgie und Musik fehlen, nicht nur hier, sondern an vielen Orten unseres Erzbistums und der Deutschen Kirche. Unglaublich, dass wir nicht mehr hören werden, wie Du unverkennbar über die Tasten und Manuale der Orgel und im Dirigat der Münsterschola die Musik und die Verkündigung unseres Glaubens in eine die Seele bewegende Einheit führst.

Viele verlieren mit dir, auch ich selbst, einen Freund und wohlwollenden Weggefährten. Gerne erinnere ich mich an unsere erste Begegnung im Collegium Albertinum. Ich als Studienanfänger direkt nach dem Abitur und du als Priester des Vorstands. Du bist mir direkt mit offenem Herzen und wachem Interesse begegnet. Ein Wesenszug, den viele an dir geschätzt haben. Es sind diese Offenheit und Aufmerksamkeit an dir, die dazu geführt haben, dass so viele Menschen mit Dir in Verbindung stehen und die Nachricht von Deinem Tod traurig aufgenommen haben.

Du hast dich damals mit mir intensiv auseinandergesetzt. Ich habe es dir dabei nicht immer leicht gemacht, was mir im Nachhinein betrachtet leid tut. Aber du hast über meine Schwächen hinweggesehen und Deinen Blick auf die Fähigkeiten gelenkt und sie gefördert. Dir war an meinem persönlichen Fortkommen gelegen. Du hast so nicht nur an meiner Entwicklung, sondern an der vieler deinen Anteil. Du hast Dich sehr darauf verstanden, Talente zu entdecken und konntest Menschen ermutigen, daraus etwas zu machen. Es war – so hast Du es oft geschildert – Deine eigene Erfahrung. Du hast solchen Menschen verdankt, dass Du ein anerkannter Musiker und ein wichtiger, geistlicher Wegweiser für andere werden konntest.

Wenn man seine Ziele erreichte, warst du es, der sich mit einem freuen konnte. Überhaupt Dein Lächeln und die Ausdruckskraft Deiner Gefühle waren unverwechselbar. Neid war dir fremd, was in der klerikalen Welt besonders hervorzuheben ist. Bewundert habe ich immer, wie bescheiden du geblieben bist, obwohl du guten Grund gehabt hättest, stolz auf Dich und Deine Leistungen zu sein.

Du hast Generationen von Theologen und Priesteramtskandidaten, Musikstudenten und angehenden Kirchenmusikern mitgeprägt. Unverkennbar war dabei eine gewisse Art von Sendungsbewusstsein. Es ging dir dabei immer um eine gereifte Form des Glaubens, eine stimmige Gestaltung von Liturgie als Ort der Gottesbegegnung und ein Verständnis von beseelter Musik. Unermüdlich hast du das betont und wiederholt, bis es sich schließlich in vielen von uns eingeprägt hat. Noch heute leitet mich bei der Vorbereitung von Gottesdiensten Deine Rede von der „gestuften Festlichkeit“ und damit von einer Ausgewogenheit von Anlass und Formsprache. Auch ist es mir bis heute unmöglich, ein Blumengesteck auf den Altar zu stellen und damit den Blick auf das Mahl zu versperren. Undenkbar auch, ein Sanctus anzustimmen, in dem nicht wirklich dreimal das Wort „heilig“ vorkommt.

Ich gebe zu, damals haben mich deine Hartnäckigkeit und Deine Aufmerksamkeit für das Detail zuweilen genervt, aber heute weiß ich, wie klug und tief durchdrungen das von Dir Gesagte war. Es war Ausdruck einer großen Sensibilität und einer ausgeprägten Ästhetik und zeugte von einem tiefen Verständnis vom Menschen und einer innigen Verbindung zum Unsichtbaren. Keine Frage, mit mir profitieren viele davon, dass Du ihnen die Augen für diese Dimensionen geöffnet hast.

Was mir sofort ins Bewusstsein trat, wenn ich in den letzten Tagen an Dich gedacht habe, war die Haltung und Ruhe, auch die Konzentration, mit der Du Gottesdienst gefeiert, die Orgel gespielt und Dich im Gespräch Deinem Gegenüber gestellt hast. Das hatte Ausstrahlung und Wirkung, weil es einen inneren Seelenfrieden widerspiegelte, den Du in Deiner Beziehung zu Gott gefunden hast. Wir verdanken Dir viele, an das Mystische grenzende Momente.

Deine ausgeprägte Sensibilität und Kreativität bildeten die Grundlage für vieles, worauf du dich virtuos verstanden hast. Zugleich machte es Dich verletzbar. Du hast davon nicht viel gesprochen, so wie es grundsätzlich nicht Deine Art war, viel von Dir persönlich preiszugeben. Aber es gab nicht wenige Augenblicke, in denen Dich manches geschmerzt und auch persönlich gekränkt hat. Nicht zuletzt manche Umgangsformen und Verhaltensmuster im kirchlichen Leben oder im mitbrüderlichen Umgang. Vielleicht weil Du um die Wirkung wusstest, die es auf Dich haben würde, warst Du bemüht, Dich dem zu entziehen, und wie Du es mir einmal selber gesagt hast, vielleicht das eine oder andere Mal auch nicht mutig genug, in eine Auseinandersetzung zu treten. In Konflikten zu stehen und sie auszuhalten, das war nicht Deine Stärke. Manchmal hat mich das enttäuscht. Heute denke ich, dass es eine legitime Art der Reaktion und der Lebenseinstellung ist, denn die Bereitschaft zur Auseinandersetzung und zum Konflikt birgt immer das Risiko bleibender Entzweiung und des Unfriedens. Und so hast Du Deine Ziele mit Friedsamkeit verfolgt und mit Beständigkeit erreicht.

Wir wissen, dass Du mit Blick auf unsere Kirche in vielem Reformbedarf gesehen hast. Manches war Dir zu strikt und schien Dir nicht mehr zeitgemäß. Dennoch hast Du diese Kirche geliebt, Dich mit ihr und ihrer Sendung identifiziert und hast nie einen leisen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Du als Priester für sie Deinen Dienst tun willst. So bist Du für manche in Zeiten des Umbruchs und der Krise eine Orientierung und ein Halt gewesen. Ein lebendes Argument dafür, in der Kirche zu bleiben und sich für sie zu engagieren.

Wenn ich mich frage, was Deine größte Motivation war, dann muss ich sofort an unser Gespräch im letzten Jahr denken, als wir mitten im ersten Lockdown die vielen Fernseh-Übertragungen in der Fastenzeit, der Heiligen Woche und am Osterfest hinter uns hatten. Wir standen hier im Kreuzgang und ich höre Dich sagen: „Ach, was wären wir ohne Ostern. Es ist die schönste Botschaft, die es geben kann. Was haben wir den Menschen doch zu schenken.“

Das Osterfest. Der Glaube an die Auferstehung, an eine Liebe, die sich nicht von uns abwendet und die das Leben für uns will. Ein Prinzip, das stärker ist als alles, was uns niederdrücken kann, und das selbst vor dem Tod nicht zurückschreckt. Wir reden vom großen Geheimnis des Lebens, in das unser Glaube einen Zuversicht vermittelnden Ein-Blick gestattet. Liebe, die im Tod das Leben schenkt.

Ich verbinde den Gedanken an Ostern mit Deinem Lächeln, mit vielen Deiner Worte, mit Deinem geistlichen Wirken und der faszinierenden Kraft Deiner Musik. Du wirst uns als Zeuge dieser Botschaft fehlen, sehr fehlen, aber Du hast diesen Lebensmut des Glaubens und diese Hoffnung nachhaltig in uns verankert.

Dafür und für das viele deines Lebens danken wir Dir.

Wir freuen uns mit Dir, dass das, was Dich mit so großer Kraft erfüllt und im Herzen stets zuversichtlich hat sein lassen, nun die Wirklichkeit ist, in der DU lebst.

Lebe wohl und auf Wiedersehen bei Gott.

Adieu, mein Freund, Wolfgang.

 

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