Pfarrer Bernd Kemmerling, kommissarischer Stadtdechant und leitender Pfarrer von St. Sebastian zu christlichen Grundwerten, christlichem Glauben und die daraus resultierenden Folgen seiner Wahlentscheidung:
„Meine Wahlentscheidung ist bereits gefallen. Da Gott sei Dank in unserem Land bis heute die Wahlen frei und geheim sind, werde ich jedoch in der Öffentlichkeit darauf verzichten zu sagen wen, bzw. welche Partei ich wähle. Die Entscheidung entspringt keineswegs einem ungefragten Automatismus, der sein Kreuz blind macht, sondern ist Ergebnis einer je aktuellen Abwägung, welches Programm am meisten mit meinen christlichen Grundwerten übereinstimmt. Das unser christlicher Glaube impliziert, sich in Gesellschaft und Politik einzubringen und sie mitzugestalten, kenne ich seit Kindertagen. Weil mein Großvater bekennendes Mitglied in der Zentrumspartei war, wurde der Familie meiner Mutter während der Willkürherrschaft des Nationalsozialismus so manches Mal das Leben besonders schwer gemacht. Viele aus meiner Familie haben sich in der Lokalpolitik engagiert, waren im Gemeinderat oder als Stadtdirektor aktiv. Lebendig erinnere ich die politischen Frühschoppen, die jeden Sonntag bei uns im Wohnzimmer stattfanden, und bei denen nicht nur die Fleischsuppe heiß war, die dazu gehörte, sondern auch heiß miteinander disputiert wurde – durchaus auch kontrovers, aber immer auf dem Boden unserer christlichen Werteordnung.“
Wirtschaftliche Situation, Bürokratieabbau, hohe Mieten, Migration, Kriege im Nahen Osten und der Ukraine sowie die Umweltkrise werden kontrovers diskutiert. Für Pfarrer Kemmerling gibt es Perspektiven und Kriterien, die für die Wählerinnen und Wähler bedeutsam sein sollten:
„Ein wesentliches Kriterium für mich ist, welches Menschenbild sich im Programm einer Partei zeigt, welche Perspektive auf Welt und Mensch hinter den Lösungsvorschlägen für die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit steht. Im christlichen Menschenbild ist kein Platz für Rassismus, Antisemitismus oder jegliche Form von Menschverachtung oder eine Rede von Mehrwert oder Minderwehrt von Leben, die Gesellschaften spaltet, anstatt zusammen zu bringen. Wie steht es um die Auffassung der Gleichheit aller Menschen, deren Freiheit, dem Schutz von Minderheiten, der notwendigen Solidarität, damit alle unter menschenwürdigen Umständen leben können? Gerade, wenn Menschen erlittene Ungerechtigkeit Wunden schlug an Leib und Seele, ist Gottes Leidenschaft für die Armen und Schwachen, die Witwen und Waisen entbrannt. Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! bekräftigt Jesus im Neuen Testament. Darum ist ein Kriterium für mich die Frage: Werden hier und heute auch die Schwachen und Armen besonders in den Blick genommen, die in der Nähe und in der Ferne, wird ihnen, den nicht selten Sprachlosen, eine Stimme gegeben, oder kleben die Gedanken nur an der Sicherung des eigenen Wohlstands und der Abgrenzung und Diffamierung? Ist da Raum für Differenzierung in der Beobachtung unserer Wirklichkeit, auch wenn das anstrengend ist, oder verlockt man mit viel zu einfachen Antworten auf sehr komplexe Fragen? Margot Friedländer bringt das, was ich meine, gut auf den Punkt, wenn sie zurecht mahnt: Seid Menschen! Machen wir uns also – aus Liebe – die Mühe und schauen genau hin!“
Pfarrer Kemmerling zur Veranstaltung am 10. Februar im Gangolfsaal:
"In Zusammenarbeit mit dem evangelischen Kirchenkreis Bonn und dem Katholischen Forum möchten wir einen offenen Raum der Begegnung anbieten, der die Möglichkeit zum Austausch von Fragen, Empfindungen, Befürchtungen und Hoffnungen gibt, die Menschen vor der Wahl in Herz und Gedanken beschäftigt. Vielleicht kann der Abend dem ein oder der anderen ein wenig Orientierung geben und in uns allen das Bewusstsein dafür schärfen, wie grundlegend wichtig und unverzichtbar es ist, sich im politisch-gesellschaftlichen Diskurs von demokratischen Prinzipien und christlichen Werten leiten zu lassen. Im Reden miteinander, im Hören aufeinander wird deutlich: Als Menschen der einen Erde gehören wir zusammen und sind einander anvertraut!"