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„Man wird miteinander reden und die Gründe prüfen müssen!“:Bonner Stadtdechant zur Bekanntgabe der Schließung der Bonner Liebfrauenschule

Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken fordert einen Faktencheck in Zeiten fehlenden Vertrauens
Gymnasium für Mädchen Ex-Bild-DB-ID: 25552
Datum:
23. März 2023
Von:
Stefan Schultz

Ein totaler Schock für die Schulgemeinde 

„Die vom Erzbistum Köln bekanntgegebene Schließung der Liebfrauenschule ist ein totaler Schock für die Schulgemeinde“, sagt Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen hätten bei der Mitarbeiterversammlung die Entscheidung mit Unverständnis aufgenommen. Ähnlich betroffen und entsetzt seien im anschließenden Gespräch die Vorsitzenden der Schulpflegschaft gewesen. Stadtdechant Picken hatte an beiden Terminen teilgenommen. Am Donnerstagmorgen hätten dann die Schülerinnen bei einer Schülerinnenversammlung mit deutlichen Stellungnahmen und Protesten reagiert und mit der anschließenden Demonstration vor der Schule und später in der Elisabethkirche deutlich gemacht, dass sie die Schulschließung nicht akzeptieren wollen. Auch in der Elternschaft formiere sich deutlicher Widerstand. „Die einhellige und nahezu kämpferische Reaktion der ganzen Schulgemeinde zeigt, wie hoch die Identifikation mit der Liebfrauenschule ist. Das dürfte in dieser Intensität die Verantwortlichen des Erzbistums überrascht haben“, so Dr. Picken.

Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen auch für die Kirche

Stadtdechant Dr. Picken geht davon aus, dass die Entscheidung weitreichende Folgen zeigen wird. Sie werde weitere Proteste nach sich ziehen. Auch führe sie nicht zuletzt bei engagierten Katholiken in der Schulgemeinde zu einer weiteren Distanzierung von der katholischen Kirche. Ferner schwäche der Verlust der Schule die kirchliche Präsenz in der Stadt und eine wirkungsvolle kirchliche Jugendarbeit. „Man kann nur hoffen, dass alle diese Wirkungen vorher hinreichend bedacht und in den Abwägungsprozess für die Entscheidung einbezogen wurden“, sagt der Stadtdechant.

Faktencheck in Zeiten fehlenden Vertrauens

Der Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche nicht zuletzt im Erzbistum Köln verstärke bei vielen zudem den Zweifel an der Begründung, die das Erzbistum für die Schließung nennt. „Ich plädiere deshalb sehr dafür, alle Zahlen und Fakten aufzuarbeiten und auf den Tisch zu legen, damit sie nachvollziehbar sind und einem Faktencheck zugeführt werden können. Nur durch diese volle Transparenz wird das Erzbistum die Chance haben, für seine Entscheidung eine Akzeptanz zu finden“, rät Dr. Picken. Die Verantwortlichen hätten inzwischen zugesichert, die relevanten Unterlagen zugänglich zu machen. Das Erzbistum nennt als Gründe für die Schulschließung die rückläufigen Schülerzahlen, fehlende Flächen und einen Schulentwicklungsplan.  

Mehr Partizipation und Beratung

Dem Erzbistum Köln werde, so der Stadtdechant weiter, von vielen vorgehalten, die Schulgemeinde nicht hinreichend in ihre Konsultationen einbezogen zu haben. Besonders Eltern und Schülerinnen fühlten sich nicht ernstgenommen und übervorteilt. „Es wäre eine frühzeitige Einbindung und Beteiligung der Schulgremien notwendig gewesen. Zwar verursacht die Partizipation bei umstrittenen Fragen gerne Aufregung und Widerstand, aber sie erhöht am Ende auch die Akzeptanz für eine Entscheidung“, sagt Dr. Picken. Es müsse innerhalb der Kirche ein selbstverständlicher Standard werden, dass vor Entscheidungen eine entsprechende Gremienbeteiligung erfolge. Im vorliegenden Fall forderten die Mängel in der Kommunikation, den Austausch mit der Schulgemeinde der Liebfrauenschule intensiv nachzuholen. „Man wird viel miteinander reden müssen, wenn sich die Lage an der Schule wieder beruhigen soll!“, sagt Dr. Picken. Dabei biete er selbst an, sich an den Gesprächen zu beteiligen und zwischen den Beteiligten zu vermitteln.

Verantwortliche zeigen Kommunikationsbereitschaft und Empathie

Bonns Stadtdechant lobt aber ausdrücklich, die Kommunikationsbereitschaft, mit der die Verantwortlichen der Schulabteilung des Generealvikariates sich persönlich der Begegnung und Konfrontation stellten. „Die Gesprächsbereitschaft ist ehrlich und man spürt eine starke Empathie auch für die Betroffenheit der ganzen Schulgemeinde.“

Eine ehrliche und schonungslose Auseinandersetzung mit den Fakten ist geboten

Die Haltung der Verantwortlichen des Erzbistums zeige sehr deutlich, dass die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen worden sei. Das verpflichte Lehrer, Eltern und Schülerinnen dazu, wenn sich die erste Aufregung gelegt habe, sich ernsthaft mit der inhaltlichen Begründung des Erzbistums zu befassen. „Es braucht jetzt dringend eine inhaltliche und sachliche Klärung!“ Man könne nicht von der Hand weisen, dass es trotz des überdurchschnittlichen Engagements so vieler seit Jahren nicht gut um die Liebfrauenschule stehe. Es sei nachvollziehbar, dass der Schulträger deshalb abwägen müsse, ob der Schulort auch im Interesse von Schülerinnen, Eltern und Lehrpersonen zukunftsfähig sei, so Dr. Picken weiter. Ob man allerdings zu der Lösung kommen müsse, die das Erzbistum Köln getroffen habe, könne er selbst kaum bewerten. Jedoch seien die vorgelegten Argumente durchaus gewichtig.