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»Assistierter Suizid« Worum es geht und was auf dem Spiel steht:750 Besucher bei Podiumsdiskussion im Bonner Münster

Erfolgreiche Premiere bei der ersten Podiumsdiskussion in der Münsterbasilika. Mit Teilnehmern des Livestreams interessierten sich knapp 1000 Zuschauer für die Beiträge der Podiumsgäste und den Akteuren aus Medizin, Pflege und Begleitung
Datum:
7. März 2023
Von:
Stefan Schultz

Triggerwarnung „Assistierter Suizid“: nach der folgenden Beschreibung finden Sie Unterstützung und Hilfe.

Erfolgreiche Premiere bei der ersten Podiumsdiskussion in der Münsterbasilika. Mit Teilnehmern des Livestreams interessierten sich knapp 1000 Zuschauer für die Beiträge der Podiumsgäste und den Akteuren aus Medizin, Pflege und Begleitung. „Die überwältigende Resonanz bestätigt in zweifacher Hinsicht unsere Einschätzung. Die BürgerInnen suchen grundsätzlich nach Möglichkeiten der Auseinandersetzung und Information und das Thema »assistierter Suizid« beschäftigt viele intensiv“, fasst Stadtdechant Dr. Picken zusammen. Das Stadtdekanat werde das Podiumsformat fortführen und in diesem Jahr weitere starke inhaltliche Impulse in die Stadtgesellschaft setzen. 

Das Stadtdekanat Bonn veranstaltete zusammen mit dem Lehrstuhl für Moraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät und dem Katholischen Bildungswerk Bonn am 06.03.2023, eine Podiumsveranstaltung in der Bonner Münsterbasilika zu dem vor einer gesetzlichen Neuregelung stehenden Thema des assistierten Suizids. Im Blickpunkt standen zentrale gesellschaftliche, ethische und institutionell-angewandte Fragen sowie Implikationen für die Praxis. 

Mehr als 700 Zuhörer und Zuhörerinnen fanden Montagabend den Weg ins Bonner Münster und waren gespannt auf die erste Podiumsdiskussion. Mit den Zuschauern im Livestream bedankt sich das Bonner Stadtdekanat bei insgesamt fast 1000 Zuschauern und Zuschauerinnen. Knapp zwei Stunden diskutierten die Podiumsgäste mit Phoenix-Redakteur Thomas Bade, der durch die Veranstaltung führte.  Dabei kamen auch Akteure aus Medizin, Pflege und Begleitung zu Wort. Musikalisch wurde die Veranstaltung vom Cellisten Michael Denhoff begleitet.

Als Podiumsgäste waren eingeladen:

Prof. Dr. Christiane Woopen

Medizinethikerin, Heinrich-Hertz-Professorin, Universität Bonn,

Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio

Richter des Bundesverfassungsgerichts a. D., Universität Bonn,

Pater Dr. Stefan Buchs

Medizinethiker und Pfarrer der Hochschulgemeinde Bonn und

Prof. Dr. Lukas Radbruch

Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Bonn.

Anschließend fand ein Come-together im Kreuzgang und Gangolfsaal mit der Gelegenheit zum Austausch statt.

In seiner Begrüßung danke Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken den zahlreichen Gästen für ihr Erscheinen und den Zuschauern im Livestream. Dabei betonte Picken, dass man sich bewusst entschieden hat, ethisch relevante Themen in die Mitte der Stadtkirche zu setzen. 

Moderator Thomas Bade wies in seiner Begrüßung darauf hin, dass der Abend mit Sicherheit keine Lösungen finden wird, aber Wege diskutieren kann, sich dem Thema anzunähern. Vor der Begrüßung der Podiumsgäste stimmte Bade auf die aktuelle rechtliche Situation ein, die durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun von der Politik neu zu regeln sei: „Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass „das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen“. Der seit 2015 geltende Paragraf 217 des Strafgesetzbuches, der den geschäftsmäßig betriebenen assistierten Suizid unter Strafe stellte, wurde in diesem Urteil als verfassungswidrig erklärt. Daraus entsteht der Auftrag an Politik und Gesellschaft, mit diesem Urteil umzugehen.“

Eingangs betonten Prof. Christiane Woopen, Prof. Udo di Fabio und Pater Stefan Buchs, dass Suizid und die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar sind und das Bundesverfassungsgericht eindeutig die Geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid untersagt hätte. Hierbei lag die Betonung immer wieder auf dem Begriff Freiheit und das die gesellschaftliche Entwicklung diejenige sein muss, dass die Autonomie des Sterbenden gesichert wird. 

Prof. Radbruch, dessen Aufgabe in der Palliativmedizin die Aufgabe ist, die bestmögliche Lebensqualität herzustellen, verwies dabei auf die Problematik des Patienten, der auch zwischen Sterbewille und neuem Lebensmut schwanke. Für ihn als Arzt sei es keine Option, eine tödliche Medikation zu verabreichen. 

Seitens der Praktiker standen u.a. die Fragen im Raum, vor welche Herausforderungen der Wunsch zu sterben Pfleger und Ärzte stellt und wie man damit fertig wird. Neben mehr Unterstützung, weniger Theorie und praktischen Handlungsanweisungen waren aber „Leben erhalten“ und das eigene Wertesystem ausschlaggebende Punkte. 

Zum Ende betonte Prof. Woopen, die individuelle und existenzielle Situation ernst zu nehmen und hob das Stichwort „Suizidprävention“ hervor. Für die Medizinethikerin ist dies durch bessere Schulung, Beratungsstellen, höhere Standards in der Ausbildung aber auch baulichen Maßnahmen möglich. „Gegen Normalität“ sei für Prof. Woopen bei einer neuen Gesetzgebung das Maß aller Dinge und für Prof. di Fabio muss der Gesetzgeber deutlich machen, dass keine Normalisierung der freiwilligen Tötung gewollt ist. Der Gesetzgeber muss den ernsthaften Sterbewille akzeptieren und nicht unmöglich machen, ihn dabei aber nicht fördern. 

Pater Buchs bemerkte am Schluss, dass Kirche und Gesellschaft Sterbende – aber auch jeden anderen Menschen – nicht alleine lassen darf. Für ihn beginnt Suizidprävention bereits im Alltag und wendet sich gegen die Vereinsamung des Menschen. Dabei hilft Kirche als Begegnung zwischen Alt und Jung, stiftet Gemeinschaft und startet somit schon Prävention.

 

Sie sind von der Thematik betroffen oder Inhalte des Podiums belasten Sie. Holen Sie sich Hilfe oder suchen Sie das Gespräch:

Anonyme und kostenfreie Telefonseelsorge:

0800/111 0 111; 0800/111 0 222; 116 123

Sie möchten sich persönlich beraten lassen:

Telefonseelsorge: http://www.ts-bonn-rhein-sieg.de/kontakt/index.html

Hospizverein Bonn e.V.: https://www.hospizverein-bonn.de/angebote.html

Ehe-, Familien- und Lebensberatung:

https://koeln.efl-beratung.de/beratungsstellen/bonn/anmeldeformular-bonn/

 

Bilder der Podiumsdiskussion vom 6. März 2023 im Bonner Münster

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