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Missbrauch in der Kirche: Gastkommentar auf domradio.de:Unangenehme Wahrheiten

Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken fordert in seinem aktuellen Podcast Entschiedenheit und absolute Transparenz bei der Aufklärung 
Datum:
17. Nov. 2020
Von:
Ayla Jacob

Seit einigen Jahren erschüttert der Missbrauchsskandal die Katholische Kirche, jüngst wurden Vorwürfe gegen einen verstorbenen Bonner Pfarrer laut. In seinem aktuellen Podcast beschäftigt sich Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken mit dem Missbrauchsskandal, seiner Aufklärung und dem Umgang der Kirche damit. „Die in einigen Diözesen zum Abschluss kommenden, unabhängigen Untersuchungen über die Verantwortung der Verantwortlichen fördern unangenehme Wahrheiten zu Tage“, stellt Picken fest. „Es ist eine Aneinanderreihung von Fehleinschätzungen und Fehlentscheidungen.“ Es müsse der Eindruck entstehen, dass sexuelle Übergriffe bewusst verschleiert und vertuscht wurden, „statt den Tätern aus den Reihen des Klerus konsequent zu begegnen und sie aus dem Dienst zu nehmen“. Auch der Umgang mit den Opfern lasse Fragen offen. So sei vielerorts offenbar versäumt worden, ihnen Verständnis und Empathie entgegenzubringen oder sie bei der Bewältigung ihres Traumas zu unterstützen. „Stattdessen schildern Betroffene, sie seien Einschüchterungsversuchen und Bagatellisierungen ausgesetzt gewesen“, so der Stadtdechant. Nicht wenige seien so ein zweites Mal zu Opfern geworden. „Manche Fallschilderungen kann man kaum lesen, ohne Entsetzen und tiefen Ekel über das zu empfinden, was ganz offensichtlich geschehen ist“, sagt Picken. „Was haben Kinder und Jugendliche aushalten und ertragen müssen?“ 

In den 1960er Jahren sei das Sprechen über Sexualität nicht nur in der Kirche tabuisiert worden, Neigung zum sexuellen Missbrauch hielt man nicht per se für persönlichkeitsimmanent. Daher müsse man die Reaktion in den 1960er Jahren wenn auch nicht billigen, so doch anders bewerten. Dass sexueller Missbrauch aber weiterhin geschehen konnte, nachdem wissenschaftlich längst das Gegenteil bewiesen und auch im kirchlichen Recht klare Regelungen getroffen worden seien, könne nur noch empören. „Verständlich, dass diese Feststellungen unendlich viele Fragen aufwerfen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zutiefst erschüttern“, so der Stadtdechant. 

Zwar könne man darauf hinweisen, „dass das Phänomen des sexuellen Missbrauchs zu Unrecht nahezu ausschließlich mit der katholischen Kirche in Verbindung gebracht werde“, sagt Picken. Jüngste Fälle wie in Bergisch Gladbach oder Lügde, Untersuchungen über Missbrauch in Familien, in Vereinen und Bildungseinrichtungen zeigten, „dass wir es mit einem Problem zu tun haben, dass überall in der Gesellschaft erschreckend präsent ist“. Aber: Eine solche Argumentation müsse wie eine Verteidigungsstrategie erscheinen und auf die Opfer wie eine zusätzliche Verletzung wirken. Die Kirche müsse sich „an ihren hohen moralischen Ansprüchen messen lassen und entsprechend tabu- und schonungslos aufklären und präventiv handeln“, meint Picken. Darüber hinaus sei es eine Verpflichtung, den Opfern jegliche Unterstützung zukommen zu lassen. „Die Kirche wird aushalten und mit Verständnis wahrnehmen müssen, wenn Bewertungen und Urteile ungerecht erscheinen.“ Es sei eine nachvollziehbare Reaktion auf Vergehen, „die sie, die Kirche, mitverschuldet“. Sie habe schwere Zeiten vor sich. „Es hilft nicht, darüber zu klagen. Man muss sich dem stellen und so darauf vertrauen, verlorengegangenes Vertrauen wiederzugewinnen.“

Der Podcast als Gastkommentar auf domradio.de findet sich hier.