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Außergewöhnliche Veranstaltung in der Münsterkirche:Mehrere Hundert Zuschauer beim Podium im Bonner Münster mit Hagen Decker und John Cook

Sucht & Süchtig - Die Veranstaltung verlief in zwei Teilen. Erst redeten die Protagonisten Decker und Cook miteinander, wie man es aus ihrem Podcast kennt, dann wurde die Gesprächsrunde erweitert durch Bonner Fachleute aus dem Bereich der Beratung, Therapie und Begleitung.
Hagen Decker und John Cook
Datum:
18. Jan. 2024
Von:
Stefan Schultz

Die Veranstaltung wurde live im Internet übertragen.

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Das Stadtdekanat Bonn veranstaltete zusammen mit dem Katholischen Bildungswerk, der Caritas Bonn, der Katholischen Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, der Katholischen Jugendagentur, der Diakonie und der Ambulanten Suchthilfe am 18.01.2024 die Veranstaltung "Podium im Bonner Münster" zum Thema Sucht, Suchthilfe und Suchtprävention. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen Hagen Decker und John Cook aus dem ARD-Podcast „Sucht und Süchtig“. 

Vorab und im Anschluss an die Veranstaltung standen 11 Beratungsinstitutionen und Selbsthilfegruppen der Stadt mit Infotischen zum Austausch zur Verfügung. 

Nach einer Begrüßung durch Münsterkaplan Dr. Christian Jasper und den Leiter des Katholischen Bildungswerkes Bonn, Marcel Hetzinger, verlief die Veranstaltung in zwei Teilen. Zunächst redeten die Protagonisten Decker und Cook miteinander, wie man es aus ihrem Podcast kennt, dann wurde die Gesprächsrunde erweitert durch Bonner Fachleute aus dem Bereich der Beratung, Therapie und Begleitung. 

In der ersten Stunde gaben Decker und Cook Einblicke in ihren Lebensweg. Wie kamen sie zur Droge? Wie und wo machten sie erste Erfahrungen? „Nach dem Konsum war die Welt Farbfernsehen, vorher nur schwarz-weiß“, so Decker. Sie redeten über Schuld und Schamgefühle und regelmäßige Geldnöte, um wieder an Drogen heranzukommen. 

„Gelogen, betrogen, geklaut und manipuliert. 15 Jahre Kokainsucht haben tiefe Wunden im Umfeld hinterlassen“, erklärt Decker. „Man wacht auf und denkt an die Droge. Lügen im Umfeld werden mit anderen Lügen begegnet. Die Lösung für ein Problem ist der Konsum.“ Erfahrungen, die sein Freund Cook mit ihm teilt. Und in der Therapie immer die Frage: Was kann man tun, dass es anderen nicht so geht, sie sich nicht alleine fühlen? Der gemeinsame Podcast soll zeigen, dass man nicht alleine ist, und dies wollen sie raus in die Welt bringen. 

Entscheidend: Wie kommt man wieder raus aus der Sucht? Welche Anlaufschwierigkeiten zur Therapie gab es? Rückfälle. Immer wieder wurden ihre deutlichen Aussagen von Applaus begleitet. Heute sehen sie sich als Überlebende und stellen fest: "Man muss sich auch wieder selbst lieben. Auch, um andere zu lieben", so die beiden Podcaster.

Nach dem Entzünden einer Kerze durch Kaplan Dr. Christian Jasper, einem stillen Moment und den Saxophonklängen von Burkhard Korbach wurde die Runde um drei Fachleute ergänzt, die ihre Arbeit erläuterten und Fragen der Moderatoren Cook und Decker beantworteten.

Ursula Dannhäuser, Leiterin der Kath. Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Lebensfragen, stellte u.a. heraus, dass Suchtgeschichten nie ohne Beziehungen stattfinden. Dass Beziehungskonflikte oft einen Suchtaspekt haben – ob ein schleichender Alkoholkonsum über Jahre aber auch Handy- oder Glückspielsucht. Sie mahnte zu einer höheren Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, die Bescheid weiß, ob in Schulen, Familien oder der Partnerschaft. „Jeder muss ein Stück Experte in Aufmerksamkeit und Motivation sein“, so Dannhäuser.

Axel Schmidt, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Suchtmediziner und Leitender Arzt der Klinik im Wingert, stellte zu Beginn heraus, dass Sucht keine Charakterschwäche, sondern eine Erkrankung ist. Die Frage, ob Sucht gleich Sucht ist, beantwortete er mit Ja. In der Folge ist die Therapieform entscheidend, in der man Erfolge hat. So zum Beispiel über Dinge zu sprechen, die man bisher in sich hineingefressen hatte, weil man glaubte, dass sie niemanden interessieren.

Silke Selinger, Diplom-Sozialarbeiterin und Suchttherapeutin im update der Ambulanten Suchthilfe Bonn arbeitet mit Jugendlichen bis 21 Jahren zusammen. Respekt empfindet sie regelmäßig den Jungen Menschen gegenüber, die die erste Hürde meistern, um ihr Gesicht zu zeigen. Im Gespräch stellte sie u.a. heraus, dass Rückfälle zum Krankheitsbild gehören – manche Patienten mehrere Therapieanläufe benötigt haben. Ein Aspekt, der in ihrer langjährigen Erfahrung normal sei.

Zum Hintergrund

„Wir haben uns in dem Format »Podium im Bonner Münster« entschieden, Sucht zum Thema zu machen. Seit langem beschäftigen wir uns in der Kirche und in der Jugendarbeit mit der Frage »Wie kann man Suchtphänomenen entgegenwirken?«, erklärte Stadtdechant Dr. Wolfgang Picken bereits im Vorfeld der Veranstaltung. „Meine Erfahrung aus 30 Jahren Seelsorger ist, dass viele junge Leute aber auch Familien sehr stark von Suchtproblemen betroffen sind. Das hat Auswirkungen auf Gewaltsituationen, ebenso brechen Familien unter dem Eindruck von Suchtkonsum auseinander. Ganz zu schweigen von den Schicksalen, die sich aus dem Suchtkonsum ergeben und diejenigen, die auf der Strecke bleiben und sterben“, so Picken.

Regisseur Hagen Decker und Erzieher John Cook waren mehr als zehn Jahre kokainsüchtig. In dieser Zeit verloren sie ihre Familie, belogen Freunde und spielten sie gegeneinander aus. So kamen sie wiederum an Geld für neues Kokain.

Seit mehr als einem Jahr sind sie clean, dank einer Therapie. Dort haben sie sich kennengelernt und zwischen ihnen hat es sofort „Klick“ gemacht. Stundenlange Gespräche folgten und schnell war die Idee zum Podcast geboren. Darin reden sie seit einem Jahr über ihre Erkrankung und dokumentieren wöchentlich ihren Weg. Sie selbst bezeichnen ihre Arbeit als Rache an der Sucht, wollen die Sucht ärgern, indem sie möglichst viele Menschen über die Krankheit aufklären. Abhängige sollen ihren Konsum hinterfragen. Der Podcast richtet sich aber auch an genesende Süchtige und alle anderen. 
Decker und Cook sind genesen – geheilt sind sie nicht und bezeichnen sich erst recht nicht als gesund.  

Ab Folge 43 ist es ein ARD-Podcast, produziert von SWR und radioeins. 2023 wurde er mit dem Deutschen Podcast Preis ausgezeichnet.

„Gemeinsam mit Hagen Decker, John Cook sowie weiteren Podiumsgästen wollen wir zeigen, dass man nicht alleinsteht, es gibt Hilfe. Wir dürfen das Thema nicht tabuisieren. Damit machen wir die Sucht nur stärker. Wie Hagen Decker und John Cook in ihrem Podcast müssen wir der Sucht den Krieg erklären. Sie zerstört den Menschen und unsere Gesellschaft. Sie ist keine Alternative für das Leben“, so der Stadtdechant.

Teil 1 der Veranstaltung

22 Bilder

Teil 2 der Veranstaltung

16 Bilder